Einradfahren im Straßenverkehr - eine (fast) unendliche Geschichte

Mit dem Einrad legal im Straßenverkehr? Kein Problem werden einige sagen, keine Chance andere und keine Ahnung wohl die meisten. Aber keine Sorge, der Mehrzahl der Polizisten geht es genauso. Zumindest wurde ich relativ oft von Mitgliedern dieser Berufsgruppe auf dem Weg zur Uni oder zum Bäcker angehalten um mich manchmal höflich, manchmal weniger höflich darauf aufmerksam zu machen, daß ich mit dem Einrad nur auf dem Gehsteig, nicht aber auf der Straße, oder generell überhaupt nicht, oder zwar auf der Straße, aber nur, wenn ich Licht und Klingel habe, oder im Prinzip ja schon fahren darf, aber ein Einrad ist doch so unsicher und so weiter und so fort. Offenbar hat in Bezug auf Einräder jeder Polizist (es waren immer nur Männer, die mich anhielten, Polizistinnen sehen das offenbar lockerer) seine eigene Rechtsauffassung und die hat auch nicht unbedingt irgend etwas mit der Meinung seiner Kollegen zu tun mit denen ich wenige Tage vorher über das gleiche Thema diskutiert habe. Nachdem ich dieses Hin und Her leid war, beschloß ich, der Sache auf den Grund zu gehen. Zum einen wollte ich nicht unbedingt Bußgelder bezahlen müssen, wie mir von ein paar Polizisten angedroht worden war, zum anderen wollte ich gerne wissen, wie es um meinen Versicherungsschutz steht, falls ich in einen Unfall verwickelt werden sollte. Also fragte ich den nächsten Polizisten, der mir seine Version des Verkehrsrechts näherbringen wollte, welche Behörde denn da zuständig sei. Er verwies mich an die Polizeidirektion. Bei einem Anruf dort erfuhr ich, daß ich mich doch bitte an die KFZ-Zulassungsstelle wenden sollte und die erklärten sich für nicht zuständig. Also gut, nächster Versuch. Ich bat eine befreundete Polizistin, der Sache doch mal nachzugehen. Sie fragte drei Kollegen, die alle drei ausgewiesene Verkehrsrechtsexperten sind und erhielt drei völlig verschiedene Antworten. Der erste erklärte offen und ehrlich, daß er keine Ahnung habe, der zweite meinte, daß ich mit dem Einrad auf die Straße dürfe, wenn ich mir eine entsprechende Genehmigung bei der KFZ-Zulassungstelle hole, was aber eine reine Formsache wäre, und der dritte sagte, für Einräder sei der TÜV zuständig. Ich rufe also wieder bei der Zulassungsstelle an. Die müssen mich wohl für einen Fall für den Psychiater gehalten haben und meinten von so einer Genehmigung haben sie noch nie was gehört. Als nächstes rief ich dann beim TÜV an. Dort wußte man zwar auch nicht weiter, verwies mich aber an die zuständige Stelle im Bayerischen Innenministerium (ich wohnte damals noch in Augsburg). Dieser Tip sollte sich später als der richtige herausstellen.

     Zumindest habe ich dann einen höflichen Brief ans Innenministerium geschrieben und um Auskunft gebeten. Die kam drei Monate später. Mir wurde mitgeteilt, daß ein Einrad ein Sport- und Spielgerät im Sinne des §24 Abs. 1 der StVO ist und ich deshalb damit nur auf Gehwegen, in Fußgängerzonen und in Spielstraßen fahren dürfe. Als Fahrrad könne es höchstens dann gelten, wenn es mit Bremse, Licht etc. ausgestattet sei und das wäre ja offenbar nicht der Fall. Ich hatte in meinem ersten Brief zwar geschrieben, daß ich all diese Dinge an meinem Einrad montiert habe, aber der wurde wohl nicht allzu gründlich gelesen. Zumindest habe ich sofort noch einen Brief geschrieben, in dem ich ganz frech anfragte, ob ich diese Auskunft so verstehen dürfe, daß mein Einrad als Fahrrad gilt und ich damit auf die Straße darf, wenn ich es entsprechend ausstatte. Vorsichtshalber habe ich noch ein Foto dazugelegt, auf dem auch alle Reflektoren etc. gut zu erkennen sind. Zwei Monate später gab es wieder Post aus München. Man informierte mich, daß nun eine Kommission aus Vertretern des Innen- und des Verkehrsministeriums gebildet wurde, um meine Anfrage zu erörtern. Immerhin, ich hatte es geschafft, die Jungs auf Trab zu bringen! Nochmal vier Monate später war es dann endlich soweit. Mir wurde mitgeteilt, daß mein Einrad für den Straßenverkehr zugelassen ist, wenn es nach §§63-67 StVZO (das sind die Paragraphen, die regeln, was ein Fahrrad alles an Licht, Reflektoren, Bremsen etc. haben muß) ausgestattet ist. Besonders gefreut hat mich, daß meine Argumentation in Bezug auf die Bremsen anerkannt wurde. Ein Fahrrad muß ja zwei getrennte Bremssysteme haben. Ich hatte argumentiert, daß dies erfüllt ist, wenn ich eine Felgenbremse ans Einrad baue, da das andere Bremssystem wegen des fehlenden Freilaufs durch Rückwärtstreten gegeben ist. Ende gut, alles gut.

     Zum Schluß für alle, die auch mit dem Einrad auf der Straße fahren wollen nochmal eine kurze (juristisch sicherlich nicht wasserdichte) Zusammenfassung der Rechtslage: Ein Einrad darf generell auf Gehsteigen, in Fußgängerzonen und in Spielstraßen benutzt werden, allerdings ist besondere Rücksicht auf Fußgänger zu nehmen. Wer sein Einrad mit einer Felgenbremse, Licht, Klingel und den diversen für Fahrräder vorgeschriebenen Reflektoren ausstattet, darf damit auch auf die Straße und auf Fahrradwege. Man ist also in der fast einmaligen Situation, sowohl die Straße als auch den Gehweg benutzen zu dürfen, ganz nach Wunsch. Diese Auskunft des Innenministeriums ist rechtsverbindlich, sowohl für jeden Polizisten als auch für Gerichte. Daß es das Bayerische Innenministerium war, das diese Auskunft erteilt hat, ist unerheblich, da Verkehrsrecht Bundesrecht ist. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings. Das Ministerium stellt sich auf den Standpunkt, daß Einräder nicht unter die sogenannte Rennradverordnung (§67 Abs. 11 StVZO) fallen. Dann würde nämlich ein Batterielicht ausreichen. So ist offiziell ein Dynamo notwendig. Allerdings sieht es nach meiner Erfahrung in der Praxis wohl so aus, daß die Polizei (funktionierende!) Batteriebeleuchtung an Fahrrädern akzeptiert. Wenn ich mit dem Einrad unterwegs bin, habe ich grundsätzlich eine Kopie der Briefe dabei. Die kann ich dann bei Bedarf jedem Polizisten zeigen, der mir (meist voller Überzeugung) erklären will, wie er die Situation sieht.

     Nun stellt sich die Frage, wie es rechtlich im Ausland aussieht. Das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr vom 8. November 1968 ist ein internationaler Vertrag der UNESCO, der den Straßenverkehr durch Standardisierung der Verkehrsregeln sicherer machen soll. In Art. 3 Abs. 5 steht

Die Vertragsparteien sind gehalten, zum internationalen Verkehr in ihrem Hoheitsgebiet die Fahrräder und die Motorfahrräder zuzulassen, welche den in Kapitel V festgelegten technischen Bedingungen entsprechen und deren Führer ihren ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei haben.

Das bedeutet, daß Personen mit Wohnsitz in Deutschland in all den Ländern mit dem Einrad auf der Straße fahren dürfen - entsprechende technische Ausstattung des Einrads vorausgesetzt -, die diesen Vertrag ratifiziert haben. Welche Staaten das konkret sind, kann man hier nachlesen.

Nachtrag: eine wichtige gesetzliche Änderung

Am 5. Juli 2013 hat der Deutsche Bundestag eine Novelle der Straßenverkehrszulassungsordnung beschlossen, die unter anderem beinhaltet, daß Fahrräder nicht mehr zwingend mit einem Dynamo ausgestattet sein müssen, sondern auch Batterielicht eine zulässige Form der Beleuchtung ist. Diese Gesetzesänderung trat am 1. August 2013 in Kraft. Sie gilt natürlich auch für Einräder, so daß man sich nicht mehr auf die Rennradverordnung berufen muß. Hier die neue Fassung von §67 StVZO, Abs. 1 im Wortlaut:

Fahrräder müssen für den Betrieb des Scheinwerfers und der Schlussleuchte mit einer Lichtmaschine, deren Nennleistung mindestens 3 W und deren Nennspannung 6 V beträgt oder einer Batterie mit einer Nennspannung von 6 V (Batterie-Dauerbeleuchtung) oder einem wiederaufladbaren Energiespeicher als Energiequelle ausgerüstet sein. Abweichend von Absatz 9 müssen Scheinwerfer und Schlussleuchte nicht zusammen einschaltbar sein.

Brief vom Innenministerium vom 4. Juli 1996
Brief vom Innenministerium vom 23. September 1996
Brief vom Innenministerium vom 23. Januar 1997
Bitte den folgenden Hinweis lesen.